Bürgerprojekt Alte Jüdische Schule

Stadt Bad Camberg, Kreis Limburg-Weilburg

Baubeschreibung:


Die Existenz der Judenschule ist für die Zeit von 1773 bis 1838 in diesem Haus belegt, bevor die Jüdische Gemeinde in den Neubau der durch die Nationalsozialisten zerstörten Synagoge umzog. Bad Camberg hatte seinerzeit die größte und bedeutendste Jüdische Gemeinde im Kreisgebiet, sodass das letzte erhaltene Gebäude als Dokument Jüdischen Lebens für die Stadt einen herausragenden Denkmalwert besitzt.

Das Haus selbst befand sich jedoch in einem beklagenswerten Zustand. Große Teile waren ungenutzt und standen seit Jahrzehnten leer. Das Erdgeschoss war völlig ausgekernt und in die Werkstatthalle eines Kfz-Mechanikerbetriebes einbezogen. Durch Anbauten völlig entstellt, erschloss sich der Wert des verwahrlosten Gebäudes augenscheinlich nur noch dem geübten Blick des Fachmannes.

Typologisch ähnelt die Alte Judenschule in verblüffender Übereinstimmung dem Haus Hirtengasse 4. Während sich das Erdgeschoss an die ehemalige Stadtmauer anlehnt, wurde auch hier mit dem oberen Stockwerk der Wehrgang überbaut. Auch das durch eine dendrochronologische Datierung festgestellte Datum der Erbauung mit 1729/30 entspricht dem der Hirtengassenhäuser. Daher spricht vieles dafür, dass die Gebäude seinerzeit vom selben Zimmermann errichtet wurden.

Das Bürgerprojekt

In 2010 hatte die Stadt das vom Verfall bedrohte Gebäude erworben und die Grundinstandsetzung mit Mitteln der Städtebauförderung eingeleitet. Nach Fertigstellung wurde die Trägerschaft auf den „Verein Historisches Camberg e.V.“ übertragen. Seitens des Vereines wurden erhebliche Eigenleistungen in Höhe von fast 100.000 Euro erbracht. Dabei wurde der Löwenanteil durch unentgeltliche Leistungen einiger ortsansässiger Handwerksbetriebe und die noch fehlenden Restmittel durch Spenden und Eigenleistungen aufgebracht. Darüber hinaus hatten zahlreiche Arbeitseinsätze der Vereinsmitglieder stattgefunden.

Nutzungs- und Sanierungskonzept

Das Sanierungskonzept sah ursprünglich eine Konservierung der nur noch rudimentär überlieferten Restbausubstanz vor. Dabei wäre das ausgekernte Erdgeschoss als ein großer Raum beibehalten worden, was dem Gebäude hier den musealen Charakter eines Aufenthaltsraumes gegeben hätte. Der unerwartete Fund der Mikwe während der Bauarbeiten bedingte jedoch eine grundlegende Änderung des Nutzungskonzeptes. Um die Überreste der Mikwe angemessen präsentieren zu können, wurde nunmehr eine Wiederherstellung des ursprünglichen Raumgefüges unvermeidbar. Aufgrund vorhandener Zapfenlöcher und Stakungsnuten in den Deckenbalken ließ sich die Raumteilung leicht rekonstruieren.

Durch die Rekonstruktion des Erdgeschosses änderte sich auch der konzeptionelle Bauauftrag. Plötzlich war das Gebäude nicht mehr nur Hülle, sondern selbst zum dominanten Teil der Ausstellung geworden. Aus heutiger Sicht ist diese Änderung des Sanierungskonzeptes ein Glücksfall. Bereits beim Betreten des Gebäudes wird den Besuchern die bedrückende und beklemmende Enge vermittelt, wie sie auch damals in dem Gebäude vorhanden war. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die düstere, historisch belegte graublaue Farbfassung.

Von Anfang an herrschte zwischen Bauherr, Verein und den Denkmalbehörden Einigkeit darüber, dass die bis auf die Fundamente verlorene Stadtmauer in moderner Form wiedererstehen sollte. An ihre Stelle trat ein Neubau aus Sichtbeton, der sich in der Kubatur und Größe genau am Ausmaß der früheren Stadtmauer orientiert. Der Einsatz einer Betonschale ermöglichte auch eine Nutzung des früher vollflächig überbauten Mauerbereiches. Hier konnten nicht störend und ohne Raumverlust die notwendigen Sanitärräume wie Teeküche und Toilette untergebracht werden.

Gleichzeitig wurde der Wehrgang im Obergeschoss wieder gewonnen. Die früher vorhandene Außenwand zum Wehrgang wurde anhand der Zapfenlöcher im Rähm detailgetreu wieder hergestellt. Auch für den Laien ist der Übergang auf den Wehrgang der ehemaligen Stadtmauer sofort erkennbar; präsentiert er sich doch kontrastreich in rohem Sichtbeton. Nur schmale Sehschlitze erlauben einen Ausblick in den ehemaligen Stadtgraben. Dabei ist die Assoziation an Schießscharten durchaus gewollt. Zusätzlich wird der Austritt auf den Wehrgang auch durch den Wechsel des Bodenbelages von den Holzdielen zu den rohen Natursteinplatten markiert.

Das Dachgeschoss wurde nicht ausgebaut. Dadurch konnten kostspielige Brandschutzmaßnahmen vermieden werden. Die originale Stiege wurde repariert und verblieb an ihrem alten Standort.

Trotz der räumlichen Wiederherstellung ist das sanierte Gebäude keinesfalls als reine Rekonstruktion anzusehen. Der aufmerksame Betrachter bemerkt beim Rundgang zahlreiche Brüche, die in ihrem Zusammenspiel zur Authentizität des Baus beitragen. Spätere Eingriffe in die Bausubstanz wurden als eigenständiger Teil der Baugeschichte belassen. Bereits beim Betreten des Gebäudes stehen die späteren Zutaten wie Stahlträger und Ziegelmauerwerk in eigentümlichem Kontrast zu den noch erhaltenen Originalbauteilen, den rekonstruierten Fachwerkwänden und zum rohen Beton der wieder hergestellten Stadtmauer. Die dunkle, monochrome Farbfassung hält die einzelnen Architekturglieder zusammen.

Mit der Eröffnung der Alten Jüdischen Schule nach über 5-jähriger Bauzeit werden die Baudenkmäler der Stadt um ein weiteres bedeutendes Kulturdenkmal bereichert. Das Haus bietet als begehbares Objekt Einblicke in das jüdische Leben, wie es Exponate und Schautafeln niemals vermocht hätten. Die abseitige Lage sowie die bescheidenen räumlichen Verhältnisse dokumentieren eindrucksvoll den sozialen Stellenwert, wie er der jüdischen Bevölkerung als damaliger Randgruppe zugestanden wurde.

Bauherr:

Magistrat der Stadt Bad Camberg

Baukosten geschätzt:

265.000 €

Baukosten abgerechnet:

280.000 €

Finanzierung:

Eigenanteil Stadt:
Spenden, Sponsoring:

198.000 €
82.000 €

Zuschüsse:

Städtebaufördermittel für den städtischen Anteil
Übernahme Restaurator durch Landesamt für Denkmalpflege

Information:

www.verein-historisches-camberg.de